Vladimir Sitnikov

Vladimir Sitnikov
Flucht- und Rettungswege

02.04.2008 – 19.04.2008
Eröffnung am Freitag, 28.03. um 19 Uhr

Ausstellung mit Katalog-Präsentation: 13 Jahre Kiel oder von der Erde zum Mond

Die alte These, dass die Museen genuine Tempel der Kunst seien, ist dieser Tage aktueller und präsenter als je zuvor. Wann sah man jemals solche Menschenmassen zu den Mega-Events-Ausstellungen pilgern? Wie mag sich der Einzelne inmitten der riesigen Besucherströme in den endlosen Hallen dieser Pantheons fühlen? Sie gleichen Labyrinthen, in denen der Mensch sich verläuft, sich zu verlieren droht. Im Mysterium einer Begegnung mit der Kunst scheint ihr Gewicht manchmal den Betrachter zu überwältigen, zu erdrücken – er möchte fliehen … Statt des Ariadne-Fadens in der eigenen Hand hängen Fluchtpläne an den Wänden der Museen, die Rettung verheißen.

Vladimir Sitnikovs Plexiglasbilder wirken auf den ersten Blick wie echte Fluchtpläne – doch sie stehen nicht am richtigen Ort, sie sind ‚unbrauchbar‘, sie sind illusionistische ‚Täuschungen‘, ‚Fälschungen‘, die als abstrahiertes Symbol für die Museen als Musentempel stehen. Seine Bilder sind, wie die Kunst selbst, optische Täuschungen, Illusionen, durch sie gibt es für den Besucher keine Rettung. Sie funktionieren nicht praktisch-pragmatisch im konkreten Raum, sondern auf ihre eigene ästhetische Weise – eben als Kunst…

Die Bilder sind gegenständlich und abstrakt zugleich – gegenständlich, in dem sie einen Fluchtplan darstellen, abstrakt, weil sie trotz ihrer „Gegenständlichkeit“ auf den Betrachter als abstrakte Gemälde wirken. Und manchmal entdeckt der Betrachter zusätzliche kleine paradoxe oder witzige Details: z. B. Schilder wie ‚Sie sind hier‘ oder ‚Wo sind Sie?‘; Beschriftungen für Säle wie ‚Rembrandt‘, ‚Velazquez‘, ‚Renaissance‘ oder ‚Modern Art‘, Ausgänge wie ‚Fifth Avenue‘, aber auch kleine Männchen, Verliebte, Kinder und Rollstuhlfahrer, Pfeile und Piktogramme.

Die Technik der Plexiglasbilder ist ungewöhnlich, Sitnikov kombiniert Elemente der Druckgraphik mit Elementen der Plexi-“Glasmalerei“. Die Druckform dient diesmal aber nicht als Druckvorlage, sie ist das Bild selbst, das Original. Wenn man Plexiglas kauft, steht auf der Platte immer der Text ‚Original‘ oder ‚Plexiglas – das Original‘. Diese vom Hersteller vorgegebenen Bezeichnungen, samt das ‚Wirbel‘-Logo für Plexiglas hat Sitnikov nicht übermalt, man kann sie auf den Bilder entdecken. Das Glas ist zum Teil durchsichtig, wird aber von beiden Seiten mit mehr oder weniger Auslassungen graviert und bemalt. Durch die transparenten Öffnungen werden die Bilder Relief-artig – wie so oft bei den Arbeiten von Vladimir Sitnikov – entsteht hier auch ein Werk zwischen Bild und Objekt.

Wahre „Kenner“ erkennen meistens auch auf Anhieb die hier dargestellten Museen: den Grundriss vom Russischen Museum St. Petersburg, der Eremitage oder der Tretjakow-Galerie, die Silhouette vom Hamburger Bahnhof, der Londoner Nationalgalerie oder des Zentrums für Zeitgenössische Kunst in Moskau.
Dr. Klára Erdei